Feldpost – Zeilen aus einer anderen Zeit

Vor ein paar Wochen schickte meine Mutter mir einige Dokumente aus dem Nachlass meiner Oma. Darunter war ein fast zerfallenes, vergilbtes Blatt beschrieben mit Bleistift: Feldpost meines Opas. Allerdings schrieb er in der alten Sütterlin-Schrift (so wie meine Oma auch, aber das hier war die Hardcore-Variante).

Ich starrte also auf diesen Brief und versuchte vergebens die Wörter zu entziffern. Da ich nicht weiterkam, schaute ich die anderen Dokumente durch und stiess auf einen weiteren handschriftlichen Brief an meine Oma, dieser aber durchaus leserlich, von einem Oberleutnant aus dem Gefechtsstand am 26.9.1943.

Er berichtete meiner Oma am 19.9.1943 im Gefecht in „soldatischer Pflichterfüllung, getreu seinem Fahneneid für Führer, Volk und Vaterland“ gefallen sei.

Ich verglich die Daten der beiden Briefe und stellte fest, dass mein Grossvater seinen Brief am 18.9.43 geschrieben hatte, am Tag darauf war er tot.

Da meine Oma und ihre Familie Schneidemühl im Glauben verlassen hatten, nach dem Krieg schnellstmöglich wieder in ihre Heimat zurückzukehren, hatten sie den Grossteil ihres Hab‘ und Gut’s dort gelassen. Dies ist also der einzige Brief meines Opas, den wir noch haben.

Mein Opa war ein junger Familienvater, der sein Baby ein einziges Mal auf Heimaturlaub gesehen hat: einer der unzähligen Soldaten, die für diesen Wahnsinn in den Krieg ziehen mussten. Kanonenfutter. In Andenken an all‘ diese ungelebten Leben teile ich hier ein paar Zeilen aus seinem letzten Brief:

… Ich denke ja, dass wir in ein paar Tagen alles gut überstanden haben und dann wieder in geregelten Verhältnissen leben können. Habe gestern auch Briefe von dir erhalten, wofür ich dir meinen besten Dank ausspreche. Die Bilder habe ich auch erhalten und freue mich unsere Kleine wenigstens auf Bildern zu sehen.

Mit meinem Urlaub ist es eine Frage der Zeit, wann ich an der Reihe bin. Ausgefressen habe ich nichts, bei uns geht es nicht schneller. Nun will ich dir meine besten Glückwünsche zum Geburtstag ausrichten, ich hoffe, du verlebst ihn auch ohne mich gut.

Will nun schliessen, denn die zwei Stunden, die ich Zeit habe, will ich zum Schlafen nutzen. Über all das, was ich hier so erlebt habe, unterhalten wir uns persönlich, wenn ich wieder bei dir sein kann.

Viele Grüße und Küsse sende ich Dir und Grüße von Herzen alle,

Hoffe ja, dass ich Euch bald gesund wiedersehen werde.“